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01.06.24 / Neue Sternwarte im Vogtland eingeweiht: Wo ein Pfarrer und ein Lehrer nach den Sternen greifen

Neue Sternwarte im Vogtland eingeweiht: Wo ein Pfarrer und ein Lehrer nach den Sternen greifen (Freie Presse, 01.06.2024)

Von Cornelia Henze

Sven Hallmann hat die Teleskop- und Kameratechnik mit eingerichtet und steht Besuchern Rede und Antwort. Gäste gibt es am Samstag ziemlich viele. Bild: Ellen Liebner

Da, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, leuchten die Sterne umso heller. Ab jetzt sind Astro-Freunde in dem 250-Seelen-Dorf Geilsdorf bei Weischlitz zu Hause. Eine Kuppel ist ihr Eingang ins All.

Geilsdorf. 

„Doerffel Sternwarte“ steht auf dem türkisen T-Shirt. Bernd Hüttner, der Lehrer, trägt eines. Dieter Blechschmidt, der Kommunalpolitiker. Rainer Benndorf, der Genforscher. Und Tilo Kirchhoff, der Pfarrer, hat seinen Talar gegen das Shirt getauscht. Sie alle verbindet die Leidenschaft zum Himmel – die einen aus religiöser, die anderen aus wissenschaftlicher Sicht. Nach acht Jahren Planungs- und Bauzeit laden die Astro-Freunde in ihre Sternwarte am Pfarrhof Geilsdorf zur Beobachtung der Gestirne ein. Ein großer Tag, der in dem 250-Seelen-Dorf zum Volksfest wird. An einem Tag, an dem im Vogtland nahezu alle Feste abgesagt sind, weil der Himmel weint. Doch in Geilsdorf trifft zur Begrüßung das Teleskop sogar auf einen Sonnenstrahl.

Partner im Austausch: Der Geilsdorfer Pfarrer und Astro-Freund Tilo Kirchhoff (links) und Rodewischs Sternwartenchef Olaf Graf. 2016 hatte der Pfarrer die Idee, eine eigene Sternwarte über das Rüstzeitheim zu bauen. Die Kirche ist Bauherr und Eigentümer, doch Spenden gesammelt für Observatorium und Technik haben viele. Bild: Ellen Liebner

Glaube trifft auf Wissenschaft

„Du erklärst die Welt der Sterne – und ich die Ewigkeit“, hat Pfarrer Tilo Kirchhoff 2016 zu Bernd Hüttner gesagt. Nachdem der Geilsdorfer Lehrer dem Gottesmann sein Leid geklagt hatte, weil Astronomie kein eigenständiges Unterrichtsfach in der Schule mehr ist, kam Kirchhoff die Idee: Wir bauen unsere eigene Sternwarte. Bernd Hüttner war Feuer und Flamme und schrieb ein langes Konzept. Das Schlimmste sei die Bürokratie gewesen, das lange Warten auf die Baugenehmigung, dann die unfreiwillige Pause in der Corona-Zeit, erinnern sich die Männer. Als das durch war, haben viele angepackt. 250.000 Euro Spenden haben die Menschen für das ehrgeizige Sternwarten-Projekt der evangelisch-lutherischen St.-Jakobus-Kirchgemeinde gesammelt. Ben Götzel hat die Kuppel geplant, Zimmermann Sven Pietscher aus Ruderitz gebaut, das Unternehmen Seltmann aus Aue eingeblecht.

Sternenfreunde im Austausch und beim Netzwerken

Für 140.000 Euro haben sich die Bauherren Teleskoptechnik der Firma Baader Planetarium geleistet. „Genial“, lobt Olaf Graf, der Leiter der Rodewischer Sternwarte, der den Kollegen aus Geilsdorf seit langem als Ratgeber in Sachen Sternwarten-Bau zur Seite steht. Bernd Hüttner bringt sich seit Jahren als Astro- und Sonnenfinsternis-Experte in Rodewisch zu den Amateur-Astronomen-Tagen ein – und so war es selbstverständlich, dass manch Rodewischer die Geilsdorfer Astro-Freunde unterstützt. Da ist zum Beispiel Sven Hallmann, bekannt durch seine Deep-Sky-Fotografie, der dem Geilsdorfer Techniker Bastian Motzkus beim Einrichten der Teleskop- und Kameratechnik hilft. Zum Greifen nah können Mond und Planeten, unter anderem auch Zwergplaneten wie Pluto, mit dem Teleskop ans menschliche Auge gezoomt werden. Per Knopfdruck öffnet Hallmann einen Spalt der Kuppel. Die ist zweieinhalb Meter hoch, misst fünf Meter im Durchmesser und ist um 360 Grad drehbar. Die Gäste staunen.

Der Astro-Nachwuchs steht schon parat: Bernd Hüttner, Lehrer am Gymnasium Markneukirchen, hat da eine Astro-AG aufgebaut. Elftklässler Joel Thoss aus Bad Elster gehört dazu. Ehrensache für den jungen Mann, zur Einweihung der Sternwarte zu kommen. Bild: Ellen Liebner

„Schön, dass es in der Region mal was Neues gibt“, freut sich Daniela Frost. Die Straßbergerin und ihre Tochter Collien (9) wollen gerne wiederkommen, wenn es einen Beobachtungsabend gibt. Anerkennung zollt Ramon Sehling dem Bauwerk. Der Plauener hat sich 2007 in seinem Garten selbst ein Mini-Observatorium gebaut, in dem drei Leute Platz finden. Unter Astro-Freunden ist der auf Sonnenbeobachtung spezialisierte Vogtländer gut vernetzt.

„Ich hätte nicht gedacht, wie viele Leute astronomisch interessiert sind und eigene Beobachtungstechnik einsetzen“, sagt Pfarrer Kirchhoff.

Christen fühlen sich Gott und dem Himmel hier ganz nah

Für Bernd Hüttner hat sich mit dem Bau der Doerffel-Sternwarte die Lücke zwischen den Observatorien Hof und Rodewisch geschlossen. Alle 30 Kilometer gibt es nun eine Sternwarte, was vor allem für die Menschen aus Plauen und dem Umland ein Angebot ist. Als Konkurrenz sieht Olaf Graf die Geilsdofer Warte nicht – eher als Partner zum astronomischen Austausch. Denn das Profil der Doerffel-Sternwarte ist auf Glauben ausgerichtet. Kirchliche Jugendgruppen, die das nun auch um Räume erweiterte Rüstzeitheim besuchen, sollen sich Gott hier nahe fühlen. „Diese Ordnung im Universum kann nur ein himmlischer Architekt geschaffen haben“, so Astro-Freund und Christ Dieter Blechschmidt. Willkommen sind Schulklassen und Interessierte – unter anderem zu Beobachtungsabenden. Am 9. August, 22 Uhr, fliegen die Sternschnuppen. ( cze)